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Dienstag, 14. März 2017

Aqua vitae, quo vadis?

Ich habe lange nicht mehr über mein Hobby, das Saufen von Schnaps Verkosten und Genießen von Whisky geschrieben.

Das Feuer lodert noch, der Alkohol rinnt auch noch die Kehle runter und ich kaufe auch weiterhin immer mehr Flaschen, als ich tatsächlich leertrinken kann.
Zumindest ohne einen veritablen Schaden davon zu nehmen!
Inzwischen habe ich so viel von dem Zeug hier rumstehen, dass ich bis an mein Lebensende davon zehren kann oder selbst einen Handel aufmachen könnte.
Eigentlich ist es sogar so viel davon, dass ich mit meinen Freunden und Freundinnen bis an deren Lebensende zusammen trinken könnte, eine nette Vorstellung - wenn auch irgendwie morbide.

Was mich allerdings abgehalten hat hier weiter zu schreiben, neben dem letzten Jahr und seinen privaten Dramen, war die Richtung in die sich der Whisky und auch seine Preise bewegt haben.
Es gibt dazu einen großen Thread im Forum vom DHL bei whisky.de, der das ganze Dilemma aufzeigt.
Die Preise der Whiskys, die ja sowieso schon für eine Spirituose recht hoch lagen, sind zum Teil dramatisch in die Höhe gegangen.
Fairerweise muss man zwar darauf hinweisen, dass auch einige Standards im Preis stabil geblieben und dadurch quasi billiger geworden sind, wenn man denn eine Inflationsrate annehmen möchte, dennoch ist die Tendenz unerfreulich deutlich.

Es kommen immer weniger alte Whiskys zu einem erschwinglichen Preis auf den Markt, stattdessen findet man ambitioniert bepreiste 3-5 jährige Whiskys, gerne in Fassstärke abgefüllt, zu Preisen die man vor 3-4 Jahren noch für 20 jährige bezahlt hat.
Der englische Whiskyschreiberling Ian Buxton schrieb:"The dirty little secret of the Scotch industry is they've become addicted to high prices, but they've run out of old whisky".
Und ich fürchte damit liegt er durchaus richtig. Fabelhafte Namen und Geschichten - Erbrochenes aus den Marketingabteilungen- soll und muss heute den Anreiz schaffen, den vorher Alter und Qualität als Kriterium für eine Kaufentscheidung vorgaben.

Ich bin ja kein prinzipieller Gegner von Whiskys ohne Altersangabe, da gibt es wirklich leckeren Stoff darunter, aber die deutliche Tendenz, Whiskys über 20 Jahre inzwischen bei 120+ Euro bis zu nahezu jedem beliebigen Preis anzusiedeln, nimmt einem ein wenig die Lust am Kauf. Der Hype regiert und Gier steckt da wohl deutlich sicher mit drin.

Aber als alter Kenner wirtschaftlicher Zusammenhänge lehne ich mich zurück und schaue zu, wie man in Kürze (also für einen Felsen, nicht für eine Eintagsfliege) das Drama: Schweinezyklus der Whiskyproduktion - Einmotten und Schließen spielen wird, wenn Whisky wieder wie Blei in den Regalen liegen wird. Hoher Preis, schlechtere Qualität und verprellte Käufer (vielleicht sogar bei den Fanboys in Deutschland, wobei ich da zweifle, da der gemeine Michel und die Micheliese noch jeden Dreck kaufen, wenn er nur schön limitiert und mit Geschichte überfrachtet ist). Wir bekamen Macallen Farbenspiel, das Ausland Alter und den guten Preis.

Und weil mich das alles ein wenig nervt, habe ich beschlossen diese Irrsinn nicht mehr in Gänze mitzumachen.

Deswegen habe ich mich nun ein wenig breiter aufgestellt, ich habe mich mal nach "Malternatives" umgesehen und damit bewusst das Budget für Whiskykäufe etwas zurückgefahren.
Denn meine Lust mit russischen Oligarchen und chinesischen Regierungsmitglieder um Flaschen zu konkurrieren, weil die es sich leisten können, ist gewichen. ;-)

Stattdessen frage ich: Warum sollte man nicht einen alten Cognac, Armagnac oder einen Sherry alternativ verkosten, einen Jahrzehnte gereiften Brandy oder Grappa aus dem Barrique des Abends ins Glas laufen lassen?
Was spricht gegen einen gereiften Tequila oder Mezcal - natürlich ohne Hut, Wurm oder zitronige Salzspielchen?
Der Markt für Rum ist ja leider auch schon eher garstig geworden, die Preise im Steigflug seit den letzten Jahren, sodass man auch hier leider immer seltener glücklich wird.
Es gibt so viele leckere und feine Destillate neben dem Whisky, deren Preise bisher noch nicht vom Hype erfasst wurden und bei denen das PLV deutlich zu deren Gunsten ausfällt.

Dennoch, ich mag Whisky und ich trinke Whisky. Ich kaufe nur nicht mehr jeden Furz, der mir als Sensation Ultralimited verkauft werden soll.
Tat ich vorher zwar auch nicht, zumindest nicht oft - aber jetzt gucke ich genau was ich für meine Kohle bekomme: Alter sollte drauf sein - und nein, ich finde es keinen echten Grund, ekstatisch zu jubeln, weil einige Destillerien nun einstellige Jahreszahlen auf ihre Flaschen drucken, statt uns nur mit einer dummen Lügengeschichte der Martketing-Ghouls zu verhöhnen. Transparenzgeschwafel hin oder her- ich will gereiften Whisky für einen anständigen Preis oder eben einen niedrigeren Preis für das junge Gemüse - das PLV sollte mal wieder ins Lot kommen.

Es lässt sich einfach nicht mit Freude und Genuss trinken, wenn man die ganze Zeit vornübergebeugt mit heruntergelassener Hose auf den nächsten Einschlag wartet.

Lange Rede, dummer Sinn - entgegen anderer Whisky-Tastingnotes-ins-Netz-Kipper, die ein veritables Problem darin sahen und sehen, selbst Teil des Hypes geworden zu sein und ihn durch ihre Beiträge anzuschieben bzw. angeschoben zu haben, werde ich in Kürze wieder die aufgelaufenen Notizen 2015-2017 als meinen bescheidenen Eindruck im Blog einstellen.
Da ich sowieso weder Reichweite noch feine Geruchs- und Geschmacksknospen habe und hatte, sollte dieser Akt meinerseits auch die Preise sicherlich nicht weiter nach oben treiben, wenn ich hier mal wieder was absenfe.

Hofft Ihnen Ihr Blödbabbler