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Schrittgeschwindigkeit und Willkür

Vor einiger Zeit wurde ich mit einer wahrlich merkwürdigen Tatsache des Bußgeldkatalogs, der bei Verstößen gegen die StVO greift, konfrontiert.

Ich fuhr aus einer Tempo 30 Zone in einen "Verkehrsberuhigten Bereich" ein, einen kleinen Weg der zwei Straßen miteinander verbindet.
Dieser Weg hat ungefähr eine Länge von 250-300 Metern und besteht aus einem ebenen Pflaster ohne gesonderten Fußgängerweg. An der rechten Seite sind Parkflächen ausgewiesen.
In näherer Umgebung befindet sich ein eine Grundschule ca. 1,5 Km entfernt.
Gewöhnlich befinden sich auf diesem Weg zu Schulzeiten ca. 1-2 Kinder oder Erwachsene, wenn Schulschluss ist auch mal ein Pulk davon.

Ich befuhr diesen Weg während der Ferienzeit, tagsüber sodass sich dort genau zwei PKWs parkend auf der rechten Seite befanden, Fußgänger waren keine vorhanden.
Da ich mit der Ms. im Gespräch war und das Auto gefühlt mehr rollte als fuhr, achtete ich nicht auf mögliche Fallensteller des Ordnungsamtes.
Und siehe da, schon gab es ein hübsches Frontfoto des Blödbabblers.
Eines der beiden Autos war die camouflierte, mobile Blitzanlage unserer Freunde vom Ordnungsamt.
Ein schneller Blick auf den Tacho belehrte mich das ich um die 30 km/h schnell gewesen sein muss - sicherlich nicht Schrittgeschwindigkeit.
Ärgerlich, aber so ist eben die Regel bei Gesetzen. Halt dich dran oder, wenn du erwischt wirst, steh dafür grade.

Also kräftig auf den Bediener des Blitzers geschimpft, die Offensichtlichkeit des Abkassierens an dieser Stelle hervorgehoben. Denn, wenn dort Gefahr bestünde, weil dort Fußgänger unterwegs sind, dann kann man nicht schneller fahren als Schrittgeschwindigkeit - die Ferienzeit war offensichtlich der Grund für die Messung.
Aber dadurch gabs halt -aus meiner Sicht- auch keinen Grund dort zu blitzen, außer eben dem, sichere Beute zu machen. Sei es drum.

Zuhause angekommen wollte ich dann wissen wie hoch mein zu erwartender Obolus an die Stadt sein würde.
Und hier stieß ich dann auf jenen Akt, der für mich definitiv als ein willkürlicher anzusehen ist.
Es gibt keine bundesweite Definition -in realen km/h- für "Schrittgeschwindigkeit". :-O
Wenn ich das Glück hätte in Leipzig geblitzt zu werden, würde man von 15 km/h ausgehen, in Köln dagegen von 7 und in Hamm von 10 km/h.
Sie, die Schrittgeschwindigkeit müsse "[...]jedenfalls deutlich unter 20 km/h [...] liegen.

Da saß ich also, mit der Vorstellung ca. 30 Km/h (+/- 5 km/h) schnell gewesen zu sein und der Vorstellung bei möglichen 7 km/h Höchstgeschwindigkeit selbige um 23 km/h (+/- 5 km/h) überschritten zu haben.
Es drohte mir -wen ich mich recht entsinne- nach dem alten Bußgeldkatalog als Spanne einer möglichen Strafe etwas von 15-25 Euro bis hin zu einem Fahrverbot, 100 Euro Strafe und einem Punkt.

Sehr nett, das nenne ich Rechtssicherheit, denn man weiß natürlich nicht, was die eigene Stadt als Grundlage für den Begriff "Schrittgeschwindigkeit" anlegt. Liegt man eher bei den 15 km/h aus Leipzig oder richtet man sich eher nach Kölner Einschätzungen?
Oder gar nach der aus dem Land des Jagertees?
Dort sind es nämlich 5 km/h.

WTF!
Wie kann es denn sein, das hier keine Rechtssicherheit besteht, indem keine echte Geschwindigkeit hinterlegt ist?
Mein alter Audi fing -glaube ich- erst bei 20 km/h an seine Tachonadel zu bewegen. Der Golf zeigt wohl bereits ab 5 km/h an.

Nachdem ich mir eingeredet hatte, das die Stadt das Geld haben möchte und nicht ans Land abdrücken will, somit vermutlich eine höhere Geschwindigkeit erlaubt sei, vergingen die fast 4 Wochen, die ich auf den Zahlungsbefehl wartete, wie im Flug. :-D

Nun weiß ich, meine Heimatstadt rechnet mit 10 km/h für die Schrittgeschwindigkeit, mir wurden 25 km/h zur Last gelegt und das zu zahlende Geld betrug 25 Euro. Bezahlt und gut.
Aber, was bleibt ist das unangenehme Gefühl beim Durchfahren von verkehrsberuhigten Bereichen in anderen Städten und Bundesländern - denn selbst im ersten Gang bei 'keinem Gas' ruckelt mein Auto locker mit 10 km/h vor sich hin.
Ums bequemer zu haben sind es schon mal 15 km/h, deutlich zu viel in Köln, fast legal bei mir zuhause. ;-)
Rechtssicherheit sieht anders aus, das Maß scheint willkürlich.

Findet Ihnen Ihr Blödbabbler
pathologe - 20. Jul, 14:13

Die

Definition der Schrittgeschwindigkeit richtet sich offensichtlich nach der geistigen Durchschnittsgeschwindigkeit der jeweiligen Behörden. Man erreiche, so munkelt man, bereits Schrittgeschwindigkeit in Bern, wenn man dort lediglich den Rückwärtsgang einlege. (Ähnliches gilt übrigens für die nationaldemokratisch verseuchten deutschen Landstriche, obgleich dort der Rückwärtsgang 75 Jahre betrage).

bloedbabbler - 20. Jul, 17:10

:-D

Vorwärts immer, rückwärts nimmer!
Den Blödbabbler in seinem Lauf hält weder Ordnungsamt noch Politesse auf.
Und manche sind sogar der Meinung, dass der Krebsgang der Insassen dieser Landstriche eine Zukunft haben könnte, ich gehöre definitiv nicht dazu.
extempori (Gast) - 20. Jul, 14:55

Rechtssicherheit

Der Zorn des werten Bloedbabbeler überrascht mich etwas. Einfach einmal die Ferienzeit nutzen und eine Fahrradtour durch die Bundesländer machen. Dabei eine Lederjacke mit den Hells Angels Patches tragen und einen Bullterrier ohne Maulkorb an der Leine mitführen. Da reicht die Palette dann von unbehelligter, harmloser Radtour bis zum (mehrfach) Straftäter.
Wegen 25,- Euronen nach Rechtssicherheit zu rufen bedeutet auch billigend den Hungertod notleidener Juristen in kauf zu nehmen!

Ihr
extempori

bloedbabbler - 20. Jul, 17:18

:-O

Huch, das mit dem Hungertod der Juristen hatte ich nicht bedacht, sonst hätte ich es a) entschiedener und sicherlich b) deutlich früher gefordert. :-D
Ich mag keine Hunde und weigere mich sie auch noch mitzuführen. Den Maulkorb hänge ich lieber den Juristen zusätzlich vor die Futterlucke, sicher ist sicher. ;-)
In Lederjacken sehe ich immer so fett aus und habs auch nicht so mit religiösen Symbolen, wie einem Höllenengel Sticker. Somit entgeht mir die von Ihnen damit assoziierte Rechtsunsicherheit und ich kann mich nur auf meine kleine Welt zurückziehen, in der mich schon das fehlen selbiger (also der Rechtssicherheit nicht der Welt) ärgert und zu launigen Artikeln nötigt. Aber Danke Ihnen für den fruchtlosen Versuch meinen schläfrigen Blick zu wecken und somit den Blickhorizont zu erweitern.
Wenn ich nicht so ein fauler Sack wäre, hätte das durchaus was werden können. :-)
Schönes Wochenende von Ihnen Ihrm Blödbabbler
iGing (Gast) - 20. Jul, 19:04

In Erfahrung zu bringen wäre noch, ob die Schrittgeschwindigkeit in der Schulzeit genauso bemessen wird, Schüler laufen doch keine 10 Kilometer in der Stunde ... oder versteh ich da was falsch?

bloedbabbler - 20. Jul, 19:18

Ich fürchte...

... Sie verstehen da etwas falsch. ;-)
Schrittgeschwindigkeit wird gewöhnlich mit 3,6 km/h angenommen, des deutschen liebste Fortbewegungsart, der schnelle Marsch oder Stechschritt, liegt dann noch darüber. :-D
Nun bieten sich natürlich Probleme, denn wenn ein Fahrradfahrer, dem Auto gleichgestellt was die Geschwindigkeitsbegrenzung in einer verkehrsberuhigten Zone angeht, mit 4 km/h fährt, fliegt er nach Auffassung mehrerer Gerichte auf die Fresse, salopp gesagt.
Ein sicheres Fahren assoziiert man eben eher mit 7-10 km/h - daher kommt wohl diese Geschwindigkeit als möglicher Wert fürs zur Rechenschaft ziehen in Frage.

Mit dem HInweis auf die Ferienzeit der Schüler wollte ich nur meinem Unmut Lauf lassen, dass eben niemand da war, den ich hätte gefährden können; außer dem Ordnungsamtmann in seinem Blitzwagen.
Aber Gesetze gelten ja oft unabhängig von ihrem Grund und ziehen deshalb dennoch eine Bestrafung nach sich. Beispielsweise "das über eine rote Ampel fahren" auf einer einsamen Strasse nachs um 3 Uhr; auch dort ist meist nur der Hüter des Gesetzes zum sofortigen Vollzug bereit, wenn man denn annimmt es würde keinen Sinn machen dort anzuhalten machts *boing* und man sieht sich umringt von der Staatsmacht. :-D

Nebenbei bemerkt: Kinder die vor meinem Auto herlaufen wollen sollten deutlich mehr als 10 km/h laufen können. *eg*
iGing (Gast) - 20. Jul, 20:51

Ich sehe es mittlerweile als Zeichen gesunden Menschenverstands, eine rote Ampel - auch am Tag - zu ignorieren, wenn sie in übersichtlichem Gelände steht und weit und breit keiner zu sehen ist, weder mit noch ohne Fortbewegungsmittel ... und auch sonst keine Gefahr droht ... Warum soll ich mein Auto mitten in der Landschaft anhalten und dort stehend die Luft verpesten, wo doch andererseits der CO2-Ausstoß gemindert werden soll ... überflüssiges An-der-Ampel-Stehen gehört m.E. zu den schlimmsten CO2-Sünden.
bloedbabbler - 20. Jul, 23:02

Das werte Frau IGing,...

... ist aber in Deutschland definitiv ein Problem; Gesetze gelten eben rund um die Uhr, unabhängig von Sinn & Verstand & Notwendigkeit.
Das ist einerseits sinnvoll zugunsten von Rechtssicherheit, denn in gar vielen Bereichen mag ich mir nicht vorstellen, was meine Mitbürger sonst tun würden, wenn sie mit den ihnen eigenen Formen von Denksimulation Gesetze brächen, weil sie es für opportun hielten.
Andererseits gibts es leider das Ärgernis, dass die Überstunden vor sich herschiebende Ordnungshüter nachts um Uhre an einer nicht befahrenen Strasse just den Einen, der es wagt bei Rot weiterzufahren, eben mit dem Gesetz voll eins über die Omme zu ziehen.
Ein gesundes Maß scheint in diesem Land an allen Ecken und Enden abhanden gekommen, wenn es denn jemals vorhanden war.
iGing (Gast) - 21. Jul, 00:35

Um mich nicht mit allerhand Unannehmlichkeiten rumplagen zu müssen, halte ich mich ja im Allg. an Gesetze. Dazu gehört, mal so grob gesprochen, auch das Einhalten der Verkehrsregeln. Als ich aber eines Nachts mal in einem Hamburger Vorort an einer roten Ampel stand und neben mir ein Auto hielt, in dem drei junge Männer saßen, die sicher auch nur anhielten, weil ich da schon stand und sie nicht angezeigt werden wollten, wenn sie weiterfahren, habe ich das nochmal überdacht; zumal ich einige Zeit vorher, ebenfalls nachts, auf dem linken Fahrstreifen der Autobahn zwischen Lübeck und Hamburg zum Anhalten gezwungen worden war. Obwohl ich dann doch unbeschadet weiterfahren konnte (der Fahrer hat vielleicht nur mal ausprobieren wollen, ob er es fertigbringt, jemanden unausweichlich zum Halten zu zwingen), haben diese Begegnungen Spuren in meiner Erinnerung hinterlassen, die mich glatt dazu bewegen würden, angesichts eines nächtlich plötzlich auftauchenden Polizisten aufs Gaspedal zu drücken und die Flucht zu ergreifen. Am hellichten Tag würde ich allerdings versuchen, ein paar vernünftige Worte mit ihm zu wechseln, das hat meiner Erfahrung nach durchaus Aussicht auf Erfolg.
bloedbabbler - 21. Jul, 13:09

War das ein ...

... Polizist der sie abdrängte und zum Halten genötigt hat? Oder wäre da nicht ein Polizist von Nöten gewesen? Kommuniktion kann nie hoch genug geschätzt werden, wobei im Beispiel von Hern wvs der Polizist scheinbar seine Ohren auf Durchzug gestellt hat. Aber ich vermute andere Zeiten, andere Regeln. ;-)
iGing (Gast) - 21. Jul, 13:43

Nein, das war wahrscheinlich kein Polizist, obwohl das Anhaltemanöver sehr professionell wirkte, jedenfalls war es ein Privatauto. Ein Polizist wäre sicher vonnöten gewesen, war aber so schnell nicht aufzutreiben. Dass ich nachts vor dem Polizisten flüchten würde, hat damit zu tun, dass ich nicht mehr unbedingt davon überzeugt bin, dass auch Polizist drin ist, wo "Polizist" drauf steht. Ansonsten bin ich aber Polizisten gegenüber durchaus friedlich gestimmt.

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