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Mitmenschen und Flaschen an der Kasse

Da ich des Öfteren an den Laufbändern der Supermarktkassen stehe und dort, bis zum vollzogenen Akt des Ware-Geld-Tausches, zum Zeitvertreib meine Mitmenschen beobachte, kristallisierte sich ein Phänomen heraus, von dem ich heute berichten mag.
Mir kam es so vor, als wenn die meisten meiner Miteinkaufsmenschen offenbar damit überfordert sind eine Flasche sinnvoll auf dem Beförderungsband zu platzieren.

So gibt es die "Ich stelle die Flasche einfach hin"- Fraktion.
Diese Mitmenschen sind immer überrascht und erschrecken sich gar oft lustig, wenn denn ihre Flasche -durch die meist ruckartigen Stopp-and-go Impulse des Bandes- alsbald fallend darnieder geht.
Hin und wieder gibt es dabei Bruch, leider sehr selten allerdings, ich schätze mal bei deutlich unter 2% meiner Beobachtungen hauchte die gestürzte Flasche mit brutalem Genickbruch, geschunden an den Rändern des Bandes, ihre Existenz aus.
Allerdings folgt dann immer ein echtes Highlight in menschlicher Kommunikations- und Verdrängungsstrategie.
Da ist die säuerlich angepisste Kassiererin, die den splitterigen und nassen, meist alkoholisch muffelnden Dreck wegmachen muss oder der entrüstete Käufer, der darauf pocht, dies sei ja *noch* nicht seine Flasche gewesen, so haftungstechnisch betrachtet.
Den zumeist auch der sanfte Hinweis auf das Schild "Flaschen immer aufs Fließband legen" am Anfang des Bandes und seine empirische Darbietung nicht von seiner Dummheit und Schuldhaftigkeit überzeugen vermag.
Meistens und meinem Vergnügen zum Trotz, geht es dann allerdings völlig atypisch an meiner Kasse so schnell vorwärts, das ich dem Lustspiel selten bis zum Finale beiwohnen kann.

Dann gibt es die größte Gruppe, ich nenne sie die "Flasche quer zur Förderrichtung"- Leger.
Geschätzt sind das weit über 90% der täglichen "Flaschen aufs Band"- Leger und beileibe nicht nur Frauen.
Denen unterstellte ich diese Taktik -aus der mir üblichen männlichen vorurteilsbehafteten sexistischen und frauenverachtenden Dumpfheit heraus -einfach mal.
Allerdings überwiegt der Anteil absolut dennoch, da meistens mehr Frauen an den Kassen stehen als Männer; wie sich das tatsächlich relativ verhält, das kann jemand untersuchen, der noch mehr Zeit hat als ich.
Eventuell Gott?

Als ich letztens eine alte, gewesene Freundin, welche ich knapp 10 Jahre nicht gesehen hatte, beim Einkaufen traf und sie eine Flasche quer aufs Band legte, da traute ich mich einfach mal direkt nachzufragen, ob ihr denn nicht bewusst sei, das diese gleich -um sich selbst rollend- nicht unbedingt gut vom Fleck wegkomme.
Ihre Antwort war brutal entlarvend.
Es sei ihr völlig egal, die käme schon irgendwann vorne an und man müsse halt hin und wieder nachhelfen, festhalten oder schupsen.

Nein! Sollte es so einfach sein?

Ist es meinem Mitmenschen schlicht egal, dass sich die Flaschen so meistens drehen und mit dem nachfolgenden Warenteiler ihres Hinterkäufers kollidieren?
Ich dachte in meiner grenzenlosen Arroganz bisher, das die Menschen einfach zu dumm sind selbst evidente Gesetze der Physik wahrzunehmen und Dinge, die sich direkt vor ihren Augen abspielen, zur Kenntnis zu nehmen oder sich urbar zu machen.
Aber es scheint, als wären meine Mitmenschen bereits weiter als ich auf der Skala der Evolution.

Ihnen ist es schnurzpiepe, sie haben einfach keine Angst mehr davor, dass ihnen die Physik das Leben beenden kann, wenn sie sie nicht verstehen oder sinnvoll anwenden.
Sie ignorieren sie, so einfach ist das.
So, wie die meisten ihre Mitmenschen nicht mehr oder nur als Störung wahrnehmen, wenn sie autistisch mit ihren stylishen weißen Ohrstöpseln durchs Leben stolpern, den Blick stur aufs Telefon gerichtet, das inzwischen um so vieles smarter als sie selbst geworden ist.
Aber, ich schweife.

Die dritte Gruppe, ich nenne sie die "Erleuchteten", legt die Flasche mit der Vorwärtsbewegung des Bandes längs und hat so das Ergebnis, das -so dachte ich bisher- dem Gewünschten am Nächsten kommt.
Eine Flasche die sich -widrige ruckigen Bewegungen durch unruhiges Kassiererinnen-Gaspedal zum Trotz- der Ziellinie nähert und zügig eine Ware-Geld-Beziehung möglich macht.
Kein Drehen, keine Möglichkeit auf Glasbruch, einfach eine mehr oder minder elegante Vorwärtsbewegung, welche einem alle Zeit der Welt gibt seine Mitmenschen gemächlich fester ins Auge zu nehmen.

Eine Ausnahme mache ich jedoch, bei Whisky-Flaschen mit Korken wähle ich lieber den Weg, die Buddel in der Hand bis zur Bezahlschranke zu tragen, denn ich hasse es, wenn der Korken vom edlen Destillat umspült wird.

Fröhliche Woche und einen wachen Blick beim nächsten Einkauf wünscht

Ihnen Ihr Blödbabbler, Erleuchteter
Shhhhh - 7. Aug, 14:48

Willkommen in der Postpostmoderne, Herr Blödbabbler. Nachdem die Menschheit all die Gesetze der Logik, Mathematik, Physik, Mechanik usw. erfunden hat (Moderne) und die Unmöglichkeit des Beherrschens all dieser Regeln (selbst bei minimalen Alltagsproblemen) bejammerte (Postmoderne), ist es ihr nun 2.0 sei Dank endlich egal (Postpostmoderne).
Ihr hier geschildertes Problem ist ja nur die Spitze des Eisbergs: haben Sie sich schon einmal gefragt, weshalb die Bänder an der Supermarktkasse nach hinten immer länger und nach vorne immer kürzer werden? Aus Gründen der Effizienz! Man möchte so den Kunden zum aktiven Mitarbeiten bewegen, sich möglichst schnell an der Kasse zu verhalten. Ich wette, das weiß noch fast die Hälfte aller Kassierer:innen. Aber versuchen Sie den gleichen Leuten einmal klar zu machen, dass Sie sich etwas dabei gedacht haben, die schweren Sachen nach vorn zu packen und die leichten in Stapeln dahinter: nämlich weil sie die Sachen in dieser Reihenfolge gern in Ihren Beutel tun würden! Stattdessen holt Kassierer:in XY mit langem Arm aus und legt Ihnen zuerst die Eier aufs viel zu schmale Kassenende, um dann im zweiten Schritt die 1,5 Liter Flasche Wasser abzukassieren. Aber was rede ich hier, das wissen Sie ja längst, eine schöne Woche Ihnen!

bloedbabbler - 7. Aug, 17:27

Der Trick, um die Kassiererin von der oben beschriebenen Dummheit abzuhalten, ist es den Abstand zwischen den Waren entsprechend großzügig zu bemessen. :-D
Allerdings fiel mir dieses sinnlose Verhalten auch schon hin und wieder auf.
Bei denen, die doof sind, stelle ich mich inzwischen nicht mehr an.
Discounter haben das mit dem kurzen Band dann vollständig rationalisiert; bei den Läden der Albrechts fehlt es bereits vollständig.
Man hat nur eine Ablage in der Größe einer Kornflakespackung und schaufelt deshalb schnell den ganzen Dreck in den Eimer Einkauf in den Wagen.
Zeitmanagement at it's best. ;-)
zuckerwattewolkenmond - 7. Aug, 14:55

Tja,

zu den Erleuchteten kann ich mich auch nicht zählen. Bis vor einigen Jahren gehörte ich sogar noch zu den Flasche-aufs-Band-Stellern (jedoch ohne Glasbruch, da nur Plastikflaschen), jedoch hatte ich in einem kleinen, annähernd erleuchteten Moment die Idee, Flaschen doch lieber zu legen, damit sie nicht wackeln und umkippen. Ich lege sie aber immer quer zum Förderband, da mir so die Proportionen Flasche zu Förderband mit meinem Fotografenauge einfach schöner erscheinen - ist wohl so eine unbewußte Goldener-Schnitt-Handlung. Das bißchen Hin- und Herrollen halte ich dagegen für vernachlässigbar. Vielleicht orientieren sich ja die meisten auch lieber ungewollt am Goldenen Schnitt im ästhetischen Sinn, als an physikalischen Gesetzmäßigkeiten im praktischen Sinn. ;o)

bloedbabbler - 7. Aug, 17:32

Gut möglich, liebe zuckerwattewolkenmond, gut möglich.
Leider stelle ich an vielen Stellen im öffentlichen Leben fest, dass sich die Fraktion der "Form schlägt Inhalt 3:1" Fraktion zunehmend gegen die Freunde des gepflegten contents, wie wir neudeutsch fabulieren, durchzusetzen scheinen. Ich bedauere das, denn eine Hülle, auch wenn sie besonders hübsch und ästhetisch daherkommt, bleibt dochnur eine Hülle, die das Wichtige, nämlich den Inhalt umgibt.
AausB (Gast) - 10. Aug, 17:16

Ich glaube ich werde jetzt nie wieder einfach nur so an der Kasse stehen können ...

bloedbabbler - 10. Aug, 19:51

Oh weh, wenn meine kleine Erzählung schon solch ein Trauma auslöst, dann empfehle ich besser nicht in die Titanic Ausgabe 11/2011 Seite 57. Artikel die ihr Leben verändern(1) -
"Offen stehende Erdnüsse in Hotelbars / Kneipen enthalten immer(!) Spuren von Urin"
oder den aus Heft 1/2012 " ebenfalls Seite 57 zu gucken:
"Wer sich beim Duschen zuerst untenrum wäscht und dann ohne Desinfektion der Hände obenrum, hat Escherichia-coli-Bakterien unter den Armen. Alles voll!"
*eg*
Habs mal so zitiert, stand imho auch auf deren online Seite, habs aber eben nicht mehr zum Verlinken gefunden.

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